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Waldbegang mit dem Forstbetrieb Ottobeuren

„Uns verbindet viel mehr als uns trennt“ - Forstleute und Vertreter der Kreisgruppe des BUND Naturschutz trafen sich zum Waldbegang im Landkreis. In vielen Punkten herrscht Übereinkunft, doch aus Sicht des BUND Naturschutz könnte noch mehr gemacht werden.

04.07.2019

Pressemitteilung

Naturschutz und Forstwirtschaft / Klimawandel
„Uns verbindet viel mehr als uns trennt“

Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch im fichtendominierten Unterallgäu deutlich zu spüren. Langanhaltende Trockenheit und hohe Temperaturen setzen dem „Brotbaum“ Fichte stark zu. Der Borkenkäfer hat dann leichtes Spiel und sorgt jedes Jahr für hohe Ausfälle bei der wirtschaftlich wichtigsten Baumart. Auch Waldschäden durch Stürme und Schneebruch nehmen in bedenklichem Ausmaß zu. Mit großer Sorge verweist Forstwissenschaftlerin und Geschäftsführerin der BN-Kreisgruppe Tina Melder nach Norddeutschland, wo dem Fichtenwald durch die Ausbreitung des Borkenkäfers eine Katastrophe droht. Auch Nordbayern ist massiv vom „Waldsterben 2.0“ betroffen – dort stirbt sogar die für ihre Trockenheitstoleranz bekannte Baumart Kiefer in weiten Teilen ab, berichtet der BN-Waldreferent Dr. Ralf Straußberger. „Es gibt in Mittelfranken rund 6000 ha Kahlflächen. Wenn es richtig rund geht, werden wir dem Käfer nicht mehr Herr“.  Sollten die pessimistischeren Klimaprognosen zutreffen und sich die Jahresdurchschnittstemperatur in Bayern um 4,5°C erhöhen, wird es auch hier in absehbarer Zeit „scheppern“ – da ist sich Forstbetriebsleiter Dr. Hermann S. Walter sicher. „Wir haben uns bei der Käferbekämpfung professionalisiert, gleichzeitig erhöht der Käfer bei steigenden Temperaturen seine Schlagkraft.“ Wichtigste Aufgabe der Forstwirtschaft ist daher weiterhin der Umbau in klimastabile Mischwälder mit einem erhöhten Anteil von Buchen und Tannen. Bereits heute beträgt der Fichtenanteil im Forstbetrieb Ottobeuren nur noch 57%. Und er soll weiter sinken -  unter anderem zu Gunsten der Tanne. Damit die Tanne überhaupt die Chance hat im wahrsten Sinne des Wortes „groß rauszukommen“, sind angepasste Rehwildbestände unabdingbar – da sind sich Forst und Naturschutz einig. „Wald vor Wild“ - so lautet der in den 70er Jahren vom BN geprägte Leitsatz. Ist der Abschuss entsprechend hoch, geht der Verbiss sichtbar zurück und die Tanne kann sich natürlich verjüngen – sogar ohne zusätzlichen mechanischen Schutz oder Wildzäune. Eindrucksvolle Bestände mit kleinen und zimmerhohen Tannen in der Naturverjüngung konnte Revierleiter Tobias Kraus den Teilnehmern im Schweinwald bei Ottobeuren zeigen.

Auch wenn man in vielen Bereichen einer Meinung ist, so gab es natürlich auch Themen, bei denen man sich nicht „ganz grün“ war. So bemängelte BN-Waldreferent Straußberger, dass es für einen umfassenden Naturschutz nicht reiche, einzelne Bäume aus der Nutzung zu nehmen: „Wir brauchen alte Wälder, nicht nur alte Bäume“. Sehr kritisch sah er zudem die Einbringung von jungen Fichten im FFH-Gebiet Angelberger Forst. „Wenn schon Nadelholz im Lebensraumtyp Buchenwälder, dann lieber die schattentolerante Tanne.“ Denn damit die Fichte im Schatten der alten Buchen überhaupt gut gedeihen kann und nicht vom Buchennachwuchs überholt wird, müssen in wenigen Jahren alte Bäume vorzeitig entnommen werden, um Licht in den Bestand zu bringen. Gleiches gelte für die Einbringung von Lärchen und Douglasien. Diese Wirtschaftsweise verhindere somit, dass alte Wälder entstehen. Der Forstbetrieb teilt diese Ansichten nur teilweise: Laut Dr. Walter zeigen die bayernweiten Inventurdaten, dass naturschutzfachlich hochwertige Buchenwälder flächenmäßig zunehmen und dabei immer älter und dicker würden. Zudem gehöre aus Sicht des Forstbetriebs die Fichte in geringen Anteilen als Nebenbaumart zu den Buchenwaldgesellschaften. Auf die Einbringung von Douglasien verzichte man in den Lebensraumtypen des FFH-Gebiets grundsätzlich.

Als sehr lobenswert bezeichneten die BN-Teilnehmer die Schutzmaßnahmen der Staatsforsten für den Schwarzspecht. Alle Bäume mit Großhöhlen wurden kartiert, mit einem speziellen Zeichen versehen und aus der Nutzung genommen. Auch Bäume ab einem gewissen Durchmesser oder absterbende Bäume bleiben von der Motorsäge verschont. Im Rahmen des Managementplans wurden im FFH-Gebiet Angelberger Forst viele kleine Altholzinseln aus der Nutzung genommen um gezielt bedrohte Fledermäuse wie das Große Mausohr und die Bechsteinfledermaus zu fördern. Diese Maßnahme hält Straußberger für „gut gemeint“. Für einen wirksamen und nachhaltigen Naturschutz wäre es wichtig „lieber weniger, dafür größere Flächen“ auszuweisen. In diesem Sinne würde der BN die Ausweisung eines neuen Naturwaldreservates sehr begrüßen.

Tief beeindruckt waren die Anwesenden von der mystischen Ästhetik des Naturwaldreservat Krebswiese-Langerjergen. Seit mehr als 40 Jahren darf hier keine Nutzung mehr stattfinden. Der Wald ist geprägt von zahlreichen dicken Buchen, abgestorbenen Bäumen, die mit Moos und Pilzen überwuchert sind, und einem dichten Kronendach, das nur wenig Licht an den Boden lässt. Der aufsteigende Nebel macht das Bild des verwunschenen Zauberwaldes perfekt. Beachtlich und für die Naturschützer äußerst erfreulich ist der hohe Totholzanteil: 200 Pilzarten und 300 Käferarten konnten hier nachgewiesen werden. Um auch extrem bedrohte und anspruchsvolle Arten zu sichern und eine Vernetzung mit den bestehenden Schutzgebieten zu fördern, wünscht sich der BN eine Erweiterung des Reservats. Der Forst-Chef zeigte sich grundsätzlich offen für Vorschläge, sofern der Fichtenanteil gering sei und durch eine Erweiterung keine Waldschutzprobleme drohen.

Dass der Naturschutz in der Forstwirtschaft einen hohen Stellenwert hat, konnte Dr. Walter den BN-Vertretern auch an den Maßnahmen des Programms „Der Wald blüht auf“ zeigen. An verschiedenen Stellen wurden im Wald Blühflächen mit standortangepassten und autochthonen Saatgutmischungen angelegt, um die Insekten- und Vogelwelt zu fördern. Der BN begrüßt dieses Engagement sehr, empfiehlt aber vor der Anlage eine Prüfung durch einen Artenschutzexperten, um sicherzustellen, dass keine wertvollen Arten auf der Fläche vorkommen, die verdrängt werden könnten.

Kritik gab es anlässlich des Streifenkahlschlags bei Rothenstein. Viele Anwohner hatten sich beim BN über den wüsten Eingriff der Staatsforsten beschwert. Revierleiter Kraus konnte seinen jedoch Standpunkt klarmachen. Die Ausgangssituation mit nassen Böden, ungünstiger Windrichtung und geschädigten und abgestorbenen Bäumen habe im Hinblick auf die Verkehrssicherungspflicht keine andere Wahl gelassen. Es wurden in den Vorjahren bereits Einzelbaummaßnahmen durchgeführt, der Bestand war aus seiner Sicht aber nicht mehr zu halten, so dass man sich nach gründlicher Überlegung zu dem starken Eingriff entschieden habe. Der BN befürchtet, dass solche Freistellungen im Staatswald entlang öffentlicher Straßen auch auf das stark reduzierte Personal bei den Staatsforsten zurückzuführen sind, so dass  im Zweifel stärker und eher flächig eingegriffen, statt einzeln und häufig, weil es bei den bestehenden Strukturen kaum anders machbar ist.

Zu Beginn der Exkursion verkündete Forstbetriebsleiter Walter „Wir werden bei vielen Punkten gleicher Ansicht sein, bei einigen sicherlich auch nicht. Dennoch gibt es viel mehr, was uns verbindet, als was und trennt.“

Für Rückfragen:
Dr. Ralf Straußberger
BN-Waldreferent
0911/81 87 8-22 oder 0911/81 87 8-0
ralf.straussberger@bund-naturschutz.de

Helmut Scharpf1. Vorsitzender der Kreisgruppe Memmingen-Unterallgäu
Tel. 08332/5433
E-Mail: bn@klarton.de

Tina Melder
Geschäftsführerin
Tel. 08261/22242
bn-mm-ua@t-online.de

 

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