Pro Rad: Anreize setzen und Überzeugungsarbeit leisten
Robert Habeck sprach in seiner jüngst ausgelobten Kampagne „80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel“ von einer „großen gemeinsamen Kraftanstrengung“. Was die Fortbewegung angeht, bevorzugen dennoch selbst auf der Kurzstrecke die meisten das eigene Auto. Und das, obwohl der Liter Diesel – trotz des Tankrabatts – bei etwa zwei Euro liegt, die eigene Muskelkraft hingegen nichts kostet. Im Rahmen einer „Parkplatz-Aktion“ wollte die Kreisgruppe des BUND Naturschutz Memmingen-Unterallgäu dem auf den Grund gehen und für ein Umdenken werben. Die Ortsgruppen in Erkheim, Mindelheim, Ottobeuren und Sontheim haben sich beteiligt – mit teils recht unterschiedlichen Ergebnissen.
Dem Ziel, mehr Fahrräder als Autos auf die Parkplätze von Verbrauchermärkten zu bekommen, war man in Sontheim am nächsten gekommen, 65 Räder hielten sich innerhalb der zwei Stunden mit 65 Autos die Waage. Frisch hergestellte Zuckerwatte, Äpfel und Eier als kleine Aufmerksamkeiten waren der Renner. Die Ankündigung war in Gedichtform erfolgt: „Ja, wer kommt schon für'n Apfel und n' Ei mit dem Fahrrad im Laden vorbei? – Oder vielleicht doch? Fahr nicht mit dem Auto fort – kauf’ am besten hier am Ort. Kommst Du zu Fuß oder mit dem Rad, ist’s auch für die Umwelt eine gute Tat.“
An allen vier Standorten freuten sich Radfahrer und Fußgänger über die entgegengebrachte Wertschätzung, die im Alltag ansonsten fehlt. Die Verkehrs- und Städteplanung vor Ort fördert in vielen Fällen nach wie vor den motorisierten Verkehr, z.B. beim innerörtlichen Kreisstraßenausbau. Werden Märkte – wie üblich – in Gewerbegebiete an den Ortsrändern gelegt, führt dies unausweichlich zu einer Zunahme von Autofahrten. In Ottobeuren schnitt der im Zentrum gelegene „Feneberg“ im Verkehrsmix deshalb deutlich besser ab als der REWE am Ortsrand.
Silke Lotterbach von der Ortsgruppe Mindelheim, die mit kleinen Kindern zum „Kaufmarkt“ ins Gewerbegebiet radelte, wurde durch die mangelnde Sicherheit des Weges abgeschreckt, die vielen Einfahrten seien „trotz Radspuren viel zu gefährlich“ – und wird deshalb weiterhin in der Innenstadt bleiben, wo es über verkehrsarme Gassen zu den Geschäften geht.
„Die anlässlich des Weltfahrradtages (3. Juni) veröffentlichte Ipsos-Studie, die in 28 Ländern durchgeführt wurde, ergab, dass weltweit lediglich 14 Prozent der Befragten am häufigsten das Fahrrad benutzen, um in ihrer Wohngegend kurze Strecken von bis zu zwei Kilometern zurückzulegen. Viele Menschen erachten das Radfahren schlichtweg für zu gefährlich und verschärfen das Problem gleichzeitig. BN-Kreisvorsitzender Helmut Scharpf: „Die kommunale Verkehrspolitik kann dies steuern, den Erfolg sieht man z.B. in den Niederlanden. Während dort auf kurzen Strecken das Rad mit 45% das Verkehrsmittel der Wahl ist, greift in Deutschland nur jeder Fünfte bevorzugt zum Fahrradlenker.“ In Bayern sind es aktuell erst 11%, nicht von ungefähr werden für einen Radentscheid in Bayern seit 16. Juni Unterschriften gesammelt. Ein bayerisches „Radgesetz“ soll die Staatsregierung verpflichten, umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen.
Die Probefahrten mit einem Lastenrad in Mindelheim oder die kommunalen Zuschussanträge für Fahrradanhänger und Lastenräder fanden großen Anklang. Pünktlich zum Ende der Aktion um 12 Uhr waren in Ottobeuren 120 Brezenhälften an Radfahrer verteilt, beim Essen derselben ergaben sich gute Gespräche, z.B. mit Bürgermeister German Fries, der extra aus Sontheim angeradelt kam. Scharpf sprach ihn auf eine „Vision“ an, auf eine „großzügige Fahrradparkplatz-Landschaft mit Überdachungen und guter Eingrünung“, während die ersten Parkplätze für Autos erst eine Reihe weiter hinten beginnen. Ein Zeichen im Zeitalter der „Zeitenwende“, das richtungsweisend wäre.
Die dem Eingang am nächsten gelegenen Parkplätze waren – mit Ausnahme der Behindertenparkplätze – am Aktionstag mit Rädern vollgestellt. Ein paar unwirsche Blicke gab es deshalb zwar, nachdem der Sinn schnell erklärt war, zeigten die meisten jedoch Verständnis.
Stellvertreter Martin Muth erkannte vor dem REWE-Markt einen Trend: Mit dem Rad kamen oft ältere Damen, die das immer schon so gewohnt waren. In Erkheim, wo sich vier Einzelhandelsgeschäfte beteiligten, überwog die Zahl der Radler anfangs, ab 9 Uhr kamen die Kunden auch dort überwiegend mit dem Auto. Der Anfang der Pfingstferien sowie das verlängerte Wochenende führte überall zu einem erheblichen Verkehrsaufkommen, ein Unterschied im Verhältnis der Verkehrsträger war dennoch erkennbar. Damit dieser zukünftig noch deutlicher ausfällt, soll die Aktion wiederholt und ausgeweitet werden.
Einmal jährlich bringt die Kreisgruppe die BNachrichten in gedruckter Form heraus. Es geht dabei vor allem darum, die Mitglieder über die Kreisgruppenarbeit zu informieren, die nicht digital erreichbar sind.