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Milchvieh-Skandal im Unterallgäu: BN fordert Abschaffung der industriellen Tierhaltung

Die landwirtschaftliche Tierhaltung steht zunehmend in der öffentlichen Kritik - die erschütternden Berichte aus einem Milchviehbetrieb in Bad Grönenbach durch den Tierschutzverein "SOKO Tierschutz" machen deutlich, dass eine Agrarwende längst überfallig ist. Die seit Langem vom BUND Naturschutz erhobenen Forderungen zu einer artgerechten, am Tierwohlbefinden orientierten Haltung und Fütterung erhalten immer mehr gesellschaftlichen Rückenwind.

23.07.2019

BN Position: INDUSTRIELLE TIERHALTUNG ABSCHAFFEN

FLÄCHENGEBUNDENE TIERHALTUNG

Aus Naturschutzsicht vordringlich ist, die Tierhaltung in Richtung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zurückzuführen. Das heißt, dass nur so viele Tiere je Betrieb oder  Betriebsgemeinschaft gehalten werden, dass der anfallende Dünger sinnvoll und umweltverträglich an
den Pflanzenbestand auf den eigenen Flächen des Betriebs ausgebracht werden kann. Die Bindung der Tierhaltung an die Fläche (maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar) muss daher zur Voraussetzung für alle Zahlungen an die Landwirtschaft werden.

TIERSCHUTZ VERBESSERN

Die gesetzlichen Standards in der Nutztierhaltung müssen umgesetzt und weiter verbessert werden. Unabdingbare Maßnahmen sind:
• Das Unterlassen von Amputationen an Tieren
• Abkehr von Vollspaltenhaltung
• Auslauf ins Freie gewährleisten
• Rückkehr zur Stroheinstreu und Festmistsystemen
• Artangemessene Fütterung statt Turbomast
• tiergerechte Züchtung ( zum Beispiel Lebensleistung bei Milchkühen, Zweinutzungshuhn)

EMISSIONEN VERMINDERN

Die Risiken von noch vorhandenen Tierhaltungsanlagen für die menschliche Gesundheit
durch allergene Stäube und antibiotikaresistente Keime, bzw. für die Umwelt durch hohe Ammoniakbelastung, müssen über technische Vorkehrungen wie zum Beispiel Einbau von Filtern und Reduktion der Besatzdichten minimiert werden.

INDUSTRIELLE TIERHALTUNGSANLAGEN VERHINDERN – BAUGESETZBUCH NACHBESSERN

Damit es Gemeinden möglich wird, Bauanträge für große Tierhaltungsanlagen bzw. Erweiterungsbauten zu verhindern, müssen die Auslegungsspielräume im Baugesetzbuch minimiert werden. Der BN fordert, dass die Privilegierung gemäß § 35.1.4 BBaugB für die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von gewerblichen Tierhaltungsanlagen, wenn diese einer Pflicht- Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen, an die reale, vorwiegende Futtermittelerzeugung in unmittelbarer Umgebung der Tierhaltungsanlage gebunden wird. Derzeit ist kein realer Einsatz des Futters vorgegeben und es fehlt komplett der Ortsbezug. Das heißt, dass ein Betrieb in
Bayern auch Flächen in Sachsen Anhalt zupachten kann, um seine Futtergrundlage nachzuweisen
und die Privilegierung damit zu erschleichen. Mit Kreislaufwirtschaft hat dies nichts zu tun, und widerspricht damit auch dem Leitbildeiner bäuerlichen Landwirtschaft in Bayern. Mit diesen Änderungen in der Auslegung des Baugesetzbuches wird den Gemeinden eine hohe Versagungs- und Steuerungsmöglichkeit eröffnet werden. Bisher gilt dieses nur, wenn gewerbliche Betriebe die 51-prozentigen Futtergrundlage theoretisch nicht erfüllen können. Die 2015 gültigen Schwellenwerte für eine Vorprüfung nach UVP sind
• 15 000 Hennen oder Truthühner
• 30 000 Junghühner oder Mastgeflügel
• 600 Rinder
• 500 Kälber
• 1 500 Mastschweine
• 560 Sauen
• 4 500 Ferkel.

Um Tierhaltungsanlagen im industriellen Stil dauerhaft von Bayern fernzuhalten, ist eine Bundesratsinitiative nötig, um die Obergrenzen für UVP Prüfung und Vorprüfung im Bundesimmissionsschutzgesetz wieder auf die Werte vor 2007 herabzusetzen. Insbesondere bei Rindern wurde der Wert 2007 mehr als verdoppelt.

 

SCHUTZ BÄUERLICHER TIERGERECHTER PRODUKTION DURCH KENNZEICHNUNGSPFLICHT FÜR FLEISCH AUS INDUSTRIELLEN MASTVERFAHREN

Bisher tun sich die VerbraucherInnen immer noch schwer, Fleisch aus tiergerechter Haltung von Mastverfahren zu unterscheiden, welche die Bedürfnisse der Tiere nicht berücksichtigen.
So können sich hinter regionalen Kennzeichnungen tierquälerische Haltungsverfahren
verbergen. Dies ist bei Geflügelprodukten häufig der Fall. Der BN schlägt deshalb analog
zur Kennzeichnung bei der Eiererzeugung eine Kennzeichnung der laut Tierschutzgesetz erlaubten
Verfahren der Intensivmast vor.

Zum Beispiel Schweinefleisch:
0 aus ökologischer Haltung
1 aus Freilandhaltung
2 aus Teilspaltenbödenhaltung
3 aus Vollspaltenbödenhaltung

Beim Mastgeflügel könnten es zum Beispiel sein:
0 ökologische Haltung
1 Freilandhaltung
2 Bodenhaltung unter 30 Kilogramm/m2
3 Bodenhaltung über 30 Kilogramm/ m2

AUSBAU DER BAYERISCHEN EIWEISSSTRATEGIE

Um die Futterversorgung der bayerischen Nutztierhaltung von Importen außerhalb Europas unabhängiger zu machen, sind verstärkte Anstrengungen in Forschung und Beratung erforderlich.
Hierzu zählen:
• Reduzierter Einsatz von Kraftfutter in der Milcherzeugung
• Anbau von Kleegras und Leguminosen
• Züchterische Bearbeitung der Körnerleguminosen, wie Ackerbohne oder Lupine

ANTIBIOTIKAEINSATZ MINIMIEREN

Der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung muss besser dokumentiert und langfristig reduziert
werden. Als Vergleichsmaß des Antibiotikaeinsatzes muss die Zahl der behandelten Tiertage
ermittelt werden.

HIERZU IST DAS ARZNEIMITTELGESETZ NACHZUBESSERN.

Der Einsatz von in der Humanmedizin verwendeten Reserveantibiotika in der Tiermedizin
muss umgehend verboten werden. Nur über tiergerechte Haltungs- und Fütterungssysteme
wird es längerfristig gelingen, den Antibiotikaeinsatz auf eine notwendige Behandlung von
Einzeltieren im Krankheitsfall zu reduzieren.

RESÜMEE

Zwischen Bauernhofsterben, Umweltbelastung durch die Landwirtschaft und einer industriellen
Tierhaltung, die das Tierwohl nur soweit berücksichtigt, wie die Tiere es noch aushalten, gibt
es einen Zusammenhang. Es muss gelingen, die Landwirtschaft wieder mehr an die regionalen
Gegebenheiten der einzelnen Regionen und Länder mit ihren Naturvoraussetzungen anzupassen und die Tierhaltung und Fütterung konsequent am Tierwohl und der Würde der Nutztiere auszurichten. Das geht nicht zum Nulltarif. Nur so haben bäuerlich wirtschaftende Familienbetriebe, ob konventionell oder bio in Bayern eine Überlebenschance. Der BUND Naturschutz fordert eine klare Abkehr von der Exportausrichtung und Weltmarktorientierung der Agrarpolitik. Agrarsubventionen müssen umverteilt und am Gemeinwohl ausgerichtet werden und Obergrenzen für die Zahlungen festgelegt werden, um keine weiteren Anreize für Betriebsvergrößerungen zu schaffen. Stallbauförderung darf es nur noch für besonders artgerechte Tierhaltungsverfahren geben. Den Erzeugergemeinschaften muss europaweit eine Mengenregulierung zum Beispiel am Milchmarkt ermöglicht werden. Neben dem weiteren Ausbau des ökologischen Landbaus kann die verbindliche Umsetzung der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft zu einem Rückgang der Überschusserzeugung führen und gleichzeitig den Zielen einer nachhaltigen Landwirtschaft, die die Schutzgüter Boden, Wasser und Artenvielfalt nicht schädigt, dienen. Dafür braucht es dann auch eine bessere Honorierung der landwirtschaftlichen Betriebe über den Markt und eine gezielte Förderung. Als Verbraucherinnen und Verbraucher können wir über unser Konsumverhalten und nachhaltige Ernährung einen Beitrag leisten. Naturschutz mit dem Einkaufskorb führt zur Partnerschaft von Naturschutz und Landwirtschaft. Als Wählerinnen und Wähler stimmen wir auch über eine Agrarpolitik ab, die Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung mit Rücksicht auf Naturschutz und Tierwohl fördern kann.

 

Hintergrund:

Massive Tierschutzverstöße in der Milchproduktion (Report Mainz vom 9. Juli 2019)

SOKO Tierschutz e. V.

Entsetzen über Tierquälerei in Allgäuer Milchviehbetrieb (Bayerischer Rundfunk vom 10. Juli 2019)

BN-Position: Industrielle Tierhaltung abschaffen (PDF)

 

Mehr Info:

Tierhaltung

Leitfaden gegen Massentierhaltung (PDF)

Landwirtschaft

Erfolg:

BN stoppt Hähnchen-Mastanlage in Pfaffenhofen


Einmal jährlich bringt die Kreisgruppe die BNachrichten in gedruckter Form heraus. Es geht dabei vor allem darum, die Mitglieder über die Kreisgruppenarbeit zu informieren, die nicht digital erreichbar sind.

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